Alte Liebe rostet nicht: Bombardieren »aus humanitären Gründen«

Alte Liebe rostet nicht:

Bombardieren »aus humanitären Gründen«

Man kann es auch konkreter formulieren: Wer glaubt, dass die drei Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich aus humanitären Gründen Syrien mit Raketen beschießen, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Die bis jetzt nicht bewiesenen Giftgasangriffe durch »Assad« auf Zivilisten rauben Trump, May oder Macron nicht eine Sekunde Schlaf. Hier geht es nicht um Menschenrechte, hier geht es knallhart um geopolitische Interessen.

Die Lage am Mittelmeer mit den Nachbarstaaten Türkei, Irak, Israel, Jordanien und dem Libanon macht Syrien für die Großmächte, selbstredend auch für Russland, zu einem wichtigen strategischen Stützpunkt.

Fragt man sich, was Briten und Franzosen hier für Interessen haben, muss man in der Geschichte gar nicht so weit zurückgehen.

Während des Ersten Weltkrieges gelang es den Briten, mit dem Versprechen auf ein Königreich »Großsyrien«, die Araber gegen die Türken zu mobilisieren.

Nicht völlig überraschend erinnerte man sich im Vereinigten Königreich, unterstützt durch Frankreich, nach dem Sieg nicht mehr an die einmal gemachten Zusagen. Bereits im Mai 1916 beschlossen London und Paris im Sykes-Picot-Abkommen, die arabischen Provinzen des ehemaligen Osmanischen Reiches unter sich aufzuteilen. Während der folgenden Jahrzehnte sorgte vor allem Frankreich dafür, dass diese Region nicht zur Ruhe kam. Ab 1940 diente Syrien als Luftwaffenstützpunkt für britische und französische Flugzeuge. 1941 marschierten britische und französische Truppen ein. Auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges besetzten die Franzosen Syrien weiterhin. Die blutigen Auseinandersetzungen der syrischen Freiheitskämpfer gegen die französische Besetzung gipfelte in der Bombardierung von Damaskus durch die Franzosen. Erst am 17.4.1946 konnte die Syrische Republik ausgerufen werden. Allerdings bedeutete dies keine Stabilität oder gar Frieden für die Region.

Durch die Schaffung des Staates Israel und der damit verbundenen Unterdrückung und Vertreibung der arabischen Stammbevölkerung kamen Syrien und der gesamte Nahe Osten die letzten 70 Jahre nicht zur Ruhe.

Auch innenpolitisch wurde immer wieder, oftmals religiös motiviert, versucht, die jeweilige Regierung zu stürzen.

Seit 2000 ist Baschar al-Assad Präsident Syriens. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, 600 politische Gefangene freizulassen, um zwischen den verschiedenen Religionen eine Befriedung zu erreichen. Auch versuchte er, die syrische Zivilgesellschaft durch demokratische Freiheiten zu stärken.

Solche Bestrebungen werden in den westlichen Demokratien immer sehr sorgfältig beobachtet, könnten sie doch dazu führen, dass sich ein Staat, ein Volk oder gar eine ganze Region stabilisieren und der eigenen Stärke bewusst werden.

Die wirkliche Infamie besteht darin, der Weltöffentlichkeit vorzulügen, daß in den jeweiligen Ländern die Menschenrechte geschützt, Humanität wieder hergestellt und die Demokratie eingeführt werden müsse.

Nun ist der Bundesbürger doch nicht ganz so dumm wie die Politiker hoffen. Der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), beklagte in der Sendung »maybrit illner« vom 19.4.2018 das fehlende Vertrauen der Bevölkerung in die Verlautbarungen der Regierung. Allerdings hatte er auch gleich eine richtige Schlussfolgerung zur Hand: Nachdem sich die Vereinigten Staaten zweimal in den jeweiligen Irakkrieg gelogen hatte, glaube man US-amerikanischen Beteuerungen nicht mehr. Waren es 1990 unter anderem Babys, die angeblich von irakischen Soldaten aus den Brutkästen gezerrt wurden, mussten es 2003 schon angebliche »Massenvernichtungswaffen« sein, um die Weltöffentlichkeit auf einen militärischen Erstschlag vorzubereiten.

Nun könnte man zynischerweise die mangelnde Kreativität der jeweiligen US-amerikanischen Führung bemängeln, da es immer wieder Giftgas oder kurz vor der Fertigstellung befindliche Atombomben sind, die ein sofortiges Eingreifen notwendig machen. Allerdings würde man dadurch das Leid und Elend der betroffenen Menschen relativieren.

Es ist unerträglich, mit ansehen zu müssen, mit welcher Normalität und welcher Ignoranz wir täglich Meldungen von Toten und Verletzten zur Kenntnis nehmen, als Folge der barbarischen Angriffskriege »unserer westlichen Verbündeten«.

Mit genau diesem Wissen stellt sich eine deutsche Verteidigungsministerin hin und bedauert, dass unsere Armee nicht zu solchen Unrechtshandlungen »eingeladen« wird.

Bei aller Skepsis gegenüber den »Westalliierten«, so blöd können sie gar nicht sein, eine Truppe anzufordern, die Frau von der Leyen mit Erfolg kastriert hat.

Die Stellungnahme von Frau Merkel ist typisch für die Nachkriegspolitik dieser Republik:

»Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in dieser Weise Verantwortung übernommen haben. Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen.«

Diese Worte der Unterwerfung machen sprachlos – in diesem Zusammenhang von »Verantwortung« zu sprechen, ist Hohn.

Für die Mächtigen dieser Welt verkommt der Krieg mit all seinen Schrecken zum Videospiel. Der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, kündigt mal eben per Twitter den Raketenangriff auf Syrien an:

»Mach dich bereit Russland, denn sie werden kommen, hübsch und neu und intelligent. Ihr solltet keine Verbündete sein für ein Tier, das sein Volk mit Gas tötet und daran Freude hat!«

Spätestens wenn der Westen aus nicht willfährigen Politikern »Tiere«, »Monster« oder »Massenmörder« macht, sollten speziell wir Deutschen zweimal hinschauen.

Seit 2011 tobt nun dieser »Bürgerkrieg«, der schon längst ein Krieg verschiedenster Interessen auf syrischem Boden ist. Im Zuge des »Arabischen Frühlings« sollte auch Syrien destabilisiert werden, um »demokratische Strukturen« zu installieren – was westliche Demokratien darunter eben so verstehen.

Cui bono – wem zum Vorteil?

Dies ist nach sieben Jahren Krieg nicht mehr ganz leicht zu beantworten. Schien es zu Anfang, dass sich vor allem Herr Netanjahu freudig zurücklehnen konnte, haben sich die Machtverhältnisse so verschoben, wie es die Strategen in Washington und Tel Aviv nicht geplant hatten. Sowohl Russland als auch der Iran haben als Unterstützer Assads größtes Interesse, in dieser Region sowohl politisch als auch militärisch präsent zu sein. Der schiitische Iran, als Gegenspieler des sunnitischen/wahabitischen Saudi-Arabiens, versucht in dieser Region Fuß zu fassen. Israel, frei nach dem Motto »Der Feind deines Feindes ist dein Freund«, bandelt mit dem bisherigen Feind Saudi-Arabien an, um die anscheinend größere Gefahr durch den Iran abzuwehren. Erdoğan wiederum versucht in Syrien Fuß zu fassen, um das »Kurdenproblem« nach alter osmanischer Tradition zu lösen. Und die verschiedenen Gruppierungen der Radikalislamisten lassen sich, entgegen der Hoffnung der USA, schon lange nicht mehr fernsteuern.

Der Plan, in Syrien eine Regierung zu installieren, die dem Westen genehm ist, ging gründlich schief.

Tod, Leid, Elend und millionenfache Flucht sind das Ergebnis kolonialen, imperialen Denkens und Handelns, wie es den USA, Großbritannien und Frankreich seit Jahrhunderten eigen ist.

Tagged with: , , , , , , , , ,
Veröffentlicht in Allgemein